Bedarf es noch eines Beitrages zu diesem Thema? Und warum eigentlich „Herz und Bewegung“ ? Warum nicht „Krebs und Bewegung“ oder „Diabetes und Bewegung“ oder „Osteoporose“… oder „Rheuma“… oder „Depression und Bewegung“ ?
Überhaupt: warum therapieren wir so unterschiedliche chronische Krankheiten mehr oder weniger undifferenziert in ganz ähnlicher Form mit Bewegung und haben auch noch Erfolg damit.
In den Patientenfragebögen unserer Klinik zur Bewertung der Rehabiltation zum Ende des Aufenthaltes beklagen sich einige Herzpatienten im Freitext darüber, „dass sie die gleichen Anwendungen wie die orthopädischen Patienten bekommen hätten“ und dass das ja offenbar ein Zeichen dafür sei, wie wenig krankheitsbezogen unsere Therapieangebote wären.
Alles nur Wohlfühleffekt?
Es drängt sich also die Frage auf, ob der positive Effekt von Sport auf chronische Krankheiten tatsächlich auf organischen Veränderungen beruht oder eher nur einen psychologischen Effekt besitzt im Sinne einer Verbesserung des Wohlbefindens.
Zuende gedacht könnte man die provokative These vertreten, dass 3 Wochen Erholung bei Wellness-Urlaub vielleicht genauso wirksam und gesundheitsfördernd wirken wie 3 Wochen Schwitzen in der Rehaklinik oder 2 Jahre Herzsportgruppe.
Lebensqualität oder Lebensverlängerung, was ist uns wichtiger?
Die Grundsatzfrage, ob unser Streben als Ärzte und Therapeuten in erster Linie dazu dienen soll, dem Leben mehr Jahre zu geben oder aber den Jahren mehr Leben (Lebensverlängerung kontra Lebenqualitätsverbesserung) können wir hier nicht klären. Einigkeit besteht aber sicher dahingehend, dass eine therapeutische Methode, die beides schafft, nämlich das Leben zu verlängern UND die Lebensqualität zu verbessern auf dem richtigen Weg ist.
Das Gute ist: zu Sport gibt es Daten und zwar reichlich. In Großbritannien wiesen Morris & Craw-
ford erstmals 1958 nach, dass die Gefahr, einen Herzinfarkt zu erleiden, bei Fahrern von Londoner Doppeldecker-Bussen größer ist als bei ihren (bewegungsaktiveren) Schaffnern. Es folgten (insbesondere von Arbeitsgruppen aus den USA) verschiedene Studien zum Einfluss der körperlichen Aktivität auf die Lebenserwartung. Die bekannteste Studie stammt von Paffenberger und Partnern, die seit Mitte der 60er Jahre den Lebenslauf von mehr als 17000 männlichen Absolventen der Harvard Universität wissenschaftlich begleiten.
Sport wirkt wie ein gutes Medikament
Dabei zeigte sich, dass die Lebenserwartung von bewegungsaktiven Menschen durchschnittlich etwa zwei Jahre höher ist als diejenige von weitgehend bewegungspassiven Gleichaltrigen.
Sogar eine Art Dosis-Wirkungs- Beziehung wurde festgestellt, mit der ungefähren Erkenntnis, dass bis zu 5x die Woche 30 Minuten Sport der lebensverlängernde Effekt zunimmt, während noch mehr Aktivitäten darüber hinaus dann keinen zusätzlichen Lebensverlängerungseffekt mehr bringen.
Hierdurch angespornt folgten Studien zu Sport und Schlaganfall, Sport und Krebsrisiko, Sport und Depression und so weiter. Alle mit ähnlich guten Ergebnissen.
Für die Fitness, als Teil der Lebensqualität, also den zweiten Teil unserer oben aufgeworfenen Frage, sind die Befunde neuerer Studien auch erfreulich einheitlich.
Positive Effekte passender sportlicher Aktivitäten auf die körperliche Fitness und die körperliche Gesundheit sind bis ins höchste Alter zweifelsfrei nachgewiesen. Sportlich aktive Menschen sind nicht nur, sondern fühlen sich auch gesünder.
Je älter, desto wichtiger
Bewegungsmangel hingegen (Urlaub, Wellness hin oder her) führt, besonders in der zweiten Lebenshälfte, zu rasantem körperlichem Abbau und frühzeitig zur Einschränkung der Mobilität. Um die körperliche Fitness im Alter zu erhalten, kann daher auf ein ausreichendes Maß an Bewegungsaktivitäten nicht verzichtet werden.
Es bleibt dabei und insbesondere im Alter: Wer rastet, der rostet!
Sportliche Spät- oder Wiedereinsteiger profitieren von Bewegungsaktivitäten übrigens ebenso wie Lebenszeitsportler und erreichen hinsichtlich Kraft und Ausdauer ähnliche Fitnesswerte wie diese. Allerdings ist es im Alter schwieriger, ohne entsprechende Bewegungsvorerfahrungen neue Bewegungen zu erlernen: Was Hänschen nicht gelernt hat, lernt Hans eben nicht mehr so gut!
Wirkungen sportlicher Aktivitäten auf das psychische Wohlbefinden
Nicht ganz so eindeutig belegt sind positive Effekte auf das psychische Wohlbefinden. Neuere Studien sprechen allerdings eher für positive Effekte sportlicher Aktivitäten auf das psychische Wohlbefinden als dagegen. Die wichtigste Einflussgröße auf das Wohlbefinden im Alter ist die Selbsteinschätzung der eigenen Gesundheit. Diese wiederum ist neben der Anzahl der Erkrankungen vor allem abhängig von der Fähigkeit, im Alter noch körperlich mobil zu sein. Und diese Mobilität, – wir hatten es schon – hängt in hohem Maße von der Fitness ab. Insofern ist es wenig überraschend, dass sportlich aktive Menschen ihre subjektive Gesundheit als besser einschätzen als Sportinaktive.
In der Gruppe am besten
Besonders positive Effekte zeigen sich dabei bei sportlichen Aktivitäten zusammen mit Gleichgesinnten. Hierbei kommt noch ein zusätzlicher Nutzen zutage. Alle Gruppenaktivitäten, ob Verein, Kirche oder Sport wirken einer möglichen Vereinsamung im Pensionsalter entgegen. Gerade in Städten ist eine Alterseinsamkeit vielleicht noch ein größeres Problem als die vieldiskutierte Altersarmut.
Fazit
Die Frage, ob sich sportliche Aktivitäten auf verschiedene chronische Krankheiten gesundheitsfördernd auswirkt, lässt sich uneingeschränkt mit „Ja“ beantworten. Ebenfalls mit „Ja“ beantworten wir die Frage, ob Sport nicht nur eine Lebensverlängerung, sondern auch eine Verbesserung der Lebensqualität bewirkt. Durch sportliche Aktivität geben wir also dem Leben mehr Jahre UND den Jahren mehr Leben.
Dieser Effekt ist unschlagbar und wird von keinem Medikament und von kaum einer Operation geschafft. Und eben auch nicht von Wellnessanwendungen, um auf die Eingangsthese zurück zu kommen.
Also: der Aufwand lohnt sich, schwitzen Sie weiter!
Dr. med. Friedrich Schroeder
- Vorsitzender LAG SH