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Trauern – Über Trauer spricht man nicht?

Trauer ist eine schwere Lebenskrise für alle Menschen. Sie ist keine Krankheit, sondern eine angemessene Reaktion auf einen Verlust, der alles bisher da gewesene in Frage stellt, der die innere und äußere Ordnung in ein Chaos verwandelt. Nichts ist mehr so, wie es war, alles ist anders, eine völlige Verunsicherung tritt ein.

Jeder Mensch trauert anders. Auch wenn es Modelle von Trauerphasen gibt, heißt das nicht, dass jeder sie in dieser Reihenfolge oder überhaupt durchläuft. Trauer ist erinnernde Liebe und sie sucht sich immer ihre eigenen Bahnen. Manche begreifen sofort, dass der geliebte Mensch tot ist, andere brauchen dafür Wochen. Auch wie intensiv die Trauer ist und wie lange sie dauert, unterscheidet sich stark. Bei manchen Menschen fällt die Trauer milde aus, andere erleben sie als sehr schmerzvoll und langwierig.

Dabei spielt oft auch eine Rolle, ob jemand unerwartet oder sehr jung gestorben ist. Ein Kind oder einen noch jungen Partner zu verlieren, führt meist zu einer längeren und schmerzhafteren Trauer als der vielleicht erlösende Verlust eines sehr alt gewordenen Elternteils, der in Frieden ruht. Nichts ist dabei richtig oder falsch, wichtig ist der Trauer Raum zu geben und sie zuzulassen.

Trauerphasen nach Verena Kast

Das folgende Modell der Trauerphasen wurde von der Schweizer Psychologin Verena Kast entwickelt und gilt als eine der wichtigsten Grundlagen für das Verständnis der Trauerprozesse. Der Beginn des Trauerprozesses ist der Verlust des geliebten Menschen. Wie dieser Beginn im Einzelfall abläuft, ist oft entscheidend für den weiteren Verlauf der Trauer. Das Ende des Trauerprozesses ist durch eine Neuorientierung des gesamten Lebensgefüges zu sehen. Wie lange das Trauergeschehen dauert, ist ganz unterschiedlich, auch die Dauer der einzelnen Phasen kann völlig variieren. Art und Dauer des Trauerprozesses werden von der Persönlichkeit des Trauernden, von den Umständen des Todes und der Beziehung zum Verstorbenen bestimmt.

1. Trauerphase: Nicht-Wahrhaben-Wollen

Die erste Trauerphase beschreibt den Anfang des Trauerprozesses. Unmittelbar nach dem Tod eines Familienangehörigen oder Freundes stehen Trauernde unter Schock. Sie fühlen sich hilflos sowie ohnmächtig und wollen den Tod des geliebten Menschen nicht wahrhaben. Viele Menschen sind wie erstarrt, verstört und völlig apathisch. Andere geraten außer Kontrolle, brechen zusammen. Der Tod hat etwas Überwältigendes, der Schock sitzt tief. Körperliche Reaktionen: rascher Pulsschlag, Schwitzen, Übelkeit, Erbrechen, motorische Unruhe. Diese Phase kann wenige Stunden bis – vor allem bei plötzlich eingetretenen Todesfällen – mehrere Wochen dauern.

2. Trauerphase: Aufbrechende Emotionen

Gefühle bahnen sich nun ihren Weg. Leid, Schmerz, Wut, Zorn, Freude, Traurigkeit und Angst können an die Oberfläche kommen. Je nach der Persönlichkeitsstruktur des Trauernden herrschen verschieden Gefühle vor. Man fühlt eine große Ungerechtigkeit und Wut und Zorn gegen Gott und die Welt. Aber auch gegen den Toten werden Vorwürfe gerichtet: „Wie konntest du mich nur im Stich lassen?“ oder „Was soll nun aus mir werden?“ Diese aggressiven Gefühle können sich aber auch gegen einen selbst richten: „Hätte ich nicht besser aufpassen müssen?“ oder „Hätte ich das Unglück nicht verhindern können?“, „Habe ich mich genügend gekümmert?“ und „Haben wir uns alles wichtige gesagt?“. Als Folge davon entstehen Schuldgefühle, die den Trauernden quälen. All diese Gefühle, die zu diesem Zeitpunkt über einen hereinbrechen, sollte man keineswegs unterdrücken. Sie helfen dem Trauernden, seinen Schmerz besser zu verarbeiten. Werden sie jedoch unterdrückt, so können diese Gefühle viel zerstören, sie führen dann nicht selten zu Depressionen und Schwermut. Die Dauer dieser Phase lässt sich nur schwer abschätzen, man spricht etwa von ein paar Wochen bis zu mehreren Monaten.

3. Trauerphase: Suchen und Sich-Trennen

Auf jeden Verlust reagieren wir mit Suchen. Was wird eigentlich in der Trauer gesucht? Zum einen der reale Mensch, das gemeinsame Leben, gemeinsame Orte mit Erinnerungswert. Auch in den Gesichtern Unbekannter wird nach den geliebten Gesichtszügen gesucht. Gewohnheiten des Verstorbenen werden übernommen. Oft werden zu diesem Zeitpunkt Orte von Trauernden aufgesucht, die sie an den Verstorbenen und gemeinsame Erlebnisse erinnern. Lieblingsrezepte werden nachgekocht oder Musik gehört. Dies erleichtert die Trauer. In inneren Zwiegesprächen wird eine Klärung offener Punkte möglich, kann Rat eingeholt werden. Durch diese intensive Auseinandersetzung entsteht beim Trauernden oft ein starkes Begegnungsgefühl. Das ist unheimlich schmerzhaft und unendlich schön zugleich! Im Verlaufe dieses intensiven Suchens, Findens und Wieder-Trennens kommt einmal der Augenblick, wo der Trauernde die innere Entscheidung trifft, wieder ja zum Leben und zum Weiterleben zu sagen oder aber in der Trauer zu verharren. Je mehr gefunden wird, was weitergegeben werden kann, umso leichter fällt eine Trennung vom Toten. Dieses Suchen lässt aber auch oft eine tiefe Verzweiflung entstehen, weil die Dunkelheit noch zu mächtig ist. Diese Phase kann Wochen, Monate oder Jahre dauern.

4. Trauerphase: Neuer Selbst- und Weltbezug

Nachdem man seinen Schmerz herausschreien durfte, anklagen und Vorwürfe machen durfte, kehrt allmählich innere Ruhe und Frieden in die Seele zurück. Der Tote hat dort seinen Platz gefunden. Der Schmerz über den Verlust des Verstorbenen tritt in den Hintergrund und Trauernde beginnen den Tod zu akzeptieren. Langsam erkennt man, dass das Leben weitergeht und dass man dafür verantwortlich ist. Es kommt die Zeit, in der man wieder neue Pläne schmieden kann. Der Trauerprozess hat Spuren hinterlassen, die Einstellung des Trauernden zum Leben hat sich meist völlig verändert. Jedoch bleibt die Erinnerung an den Verstorbenen weiterhin ein wichtiger Teil ihres Lebens.

Wie lange dauert Trauer?

Jeder Mensch geht anders mit Trauer um, obwohl Trauernde die 4 Phasen der Trauer oft auf sehr ähnliche Weise durchleben. Eine fixe Zeitspanne, über die sich Trauer erstreckt, kann nicht angegeben. Trauer über den Verlust von Menschen kann Wochen, Monate aber auch Jahre andauern. Der jährliche Todestag ist dann für viele Trauernde ein besonders schwerer Tag. Hier können Rituale unterstützen wie z.B. Bilder ansehen, einen Brief schreiben, Lieblingslieder hören oder Leibgerichte kochen. Auch kann es helfen die Gedenkstätte zu besuchen und festlich zu schmücken und natürlich Zeit mit Freunden und Familie zu verbringen.

Wer leistet Hilfe für Trauernde?

Angehörige, Freunde oder Bekannte können ebenso Trauerhilfe leisten, wie professionelle Helfer oder Seelsorger in der Kirchengemeinde. In vielen Orten gibt es Selbsthilfegruppen und Trauernetzwerke. Hospizvereine bieten Trauerbegleitung, Gesprächskreise oder Wanderungen an. Auch Wohlfahrtsverbände, die es in jeder größeren Stadt gibt, wie die Arbeiterwohlfahrt oder das Deutsche Rote Kreuz haben Experten zur Trauerbewältigung. Wer einfach mit jemandem reden möchte, egal zu welcher Uhrzeit, kann sich auch an die Telefonseelsorge wenden (0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222).

  • https://www.landeskirche-hannovers.de/evlka-de/wir-fuer-sie/begleiten/trauer-und-tod/trauerphasen/verea-kast
  • https://www.trauer-und-leben.de/was-ist-trauer/
  • https://www.bestatter.de/wissen/trauerhilfe-und-trauerbewaeltigung/#c154