Steine am Strand
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Blutdruck und Niere

Wie es scheint ein einfaches Thema (?). Im Blutdruckseminar unserer Klinik erkläre ich den Patienten immer das Bild der Niere als druckregulierendes Organ, ähnlich eines Überdruckventils. Nimmt der mittlere Blutdruck zu, wird in Form einer vermehrten Urinproduktion Druck abgelassen, nimmt der mittlere Druck ab, ist es anders herum. Überall im Körper sind Druckfühler verteilt, die Niere wertet deren Ergebnisse aus und agiert als Überdruckventil.

Naja – ganz so einfach ist es natürlich nicht. Welches Organsystem steuert überhaupt hauptverantwortlich den Blutdruck? Hauptsächlich das Gehirn oder eher das vegetative Nervensystem? Welche Rolle spielen die blutdruckregulierenden Hormone, welche Rolle das Herz als druckproduzierendes Organ? Oder ist uns der Blutdruck vorherbestimmt, genetisch festgelegt wie blonde Haare oder Erbkrankheiten? Sind die Nieren oder gar die Nebennieren für die Blutdruckregulatiuon wichtiger? Wie immer in der Medizin gibt es keine einfachen Antworten, alles hängt miteinander zusammen.
Zunächst die Rolle des Herzens. Der systolische arterielle Druck (oberer Blutdruckwert) wird durch die Auswurfkraft des Herzens erzeugt. Das Herz agiert dabei dynamisch, je nachdem, welche Aktivität gerade ausgeübt wird. Bei körperlicher Anstrengung, Stress und Aufregung steigt er an, in körperlichen und seelischen Ruhephasen sinkt er ab.
Um den Druck steuern zu können, muss der Körper den arteriellen Druck in den Gefäßen selbst messen können. In Aorta, Halsschlagadern sowie anderen großen Arterien in Brustkorb und Hals messen druckempfindliche Sinneszellen, die Barorezeptoren die Dehnung der Arterienwand. Diese Barorezeptoren (ein sehr bekannter sitzt an der Carotisgabel der Halsschlagader) sind Teil unseres vegetativen Nervensystems, welches uns erlaubt, eine kurzfristige Regulation des arteriellen Druckes zu ermöglichen. Das System reagiert in Sekunden mit stimulierenden (Sympathikus) und hemmenden (Parasymphaticus) Nervenimpulsen an die Medulla oblongata im Stammhirn. Auf diese Weise vermeidet der Körper im dynamischen System der Blutdruckregulation Spitzenwerte in die eine oder andere Richtung. Ausführendes Organ ist das Herz, welches mehr oder weniger Druck aufbaut, je nachdem welche Nervensignale es bekommt.
Ein bekanntes Krankheitsbild dieses Systems ist die reflektorische Blutdruckabsenkung bei einer vagovasalen Synkope, in der eine überschießende Aktivität des Parasympathikus den Blutdruck zu stark senkt und eine Ohnmacht eintreten kann.
An der kurzfristigen Blutdruckregulation sind auch die Nebennieren beteiligt, die Hormone Adrenalin und Cortisol wirken direkt auf die Arterien und erhöhen den Blutdruck beispielsweise, wenn wir uns erschrecken oder ängstigen (Adrenalinausstoß).
Die Nieren selbst sind für die mittel- und langfristige Regulation des Blutdrucks verantwortlich. Dies geschieht aber nicht wie eingangs vereinfacht dargestellt mittels einer Art Überdruckventil, bei dem sich der „Deckel hebt“, wenn der Druck zu hoch wird, sondern indirekt über das Renin-Angiotensin-Aldosteron Hormonsystem. Sinkt die Nierendurchblutung ab (z. B. durch einen Blutdruckabfall), führt dies zu erhöhter Reninfreisetzung in der Niere und damit letztlich zu einer Konzentrationserhöhung des stark gefäßverengenden Angiotensin II. Das von der Nebenniere produzierte Aldosteron wirkt sich auch eher auf langsame Weise auf den Blutdruck aus. Bei einem erhöhten Aldosteronspiegel werden
Natrium und Wasser zurück gehalten und dadurch der Blutdruck gesteigert. Der dritte im Bunde ist das Nierenhormon Renin. Vermehrt produziert bewirkt es eine vermehrte Produktion von Angiotensin I, welches, verwandelt in Angiotensin II direkt kleine Arterien verengt und dadurch den Blutdruck erhöht. Das ganze System ist ineinander verzahnt, erhöhte Reninspiegel begünstigen auch erhöhte Aldosteronspiegel und darüber hinaus erhöhte ADH-Spiegel. Noch ein Hormon. ADH (antidiuretisches Hormon) wird von der Hirnanhangsdrüse produziert und sorgt dafür, dass vermehrt Wasser im Körper einbehalten wird.
Und alles nur, um zu niedrige Blutdruckwerte zu verhindern und um dafür zu sorgen, dass wir in der Wüste überleben und vergleichsweise nur wenig Wasser am Tag brauchen. Wäre die Niere nicht in der Lage, den Urin zu konzentrieren, die wichtigen Stoffe zu behalten und die Schlackestoffe aktiv in den Urin zu befördern, müssten wir am Tag 180 Liter trinken. Das ist nämlich die Menge Urin, die die Nieren als primäres Filtrat (Primärharn) dem Blut entziehen.
Bei Nierenerkrankungen, die die Durchblutung senken, oft auch altersbedingt, wird zu viel Renin gebildet, da die Durchblutung abnimmt, was sich in einer Erhöhung des Blutdrucks, einer arteriellen Hypertonie äußert.
Am Krankheitsbild der einseitigen Nierenarterienstenose (Einengung einer Nierenarterie) lässt sich das Hormonmodell der Blutdruckregulierung am besten erklären. Bekommt eine Niere aufgrund einer Nierenschlagader-Einengung zu wenig Druck, setzt sie die Renin-Angiotensin-Aldosteron Spirale in Gang und erhöht „sich“, auf Kosten eines viel zu hohen Blutdrucks im Rest des Körper, den Blutdruck auf das gewünschte Maß. Auch bei anderen Nierenerkrankungen gerät das System aus der Spur und der Blutdruck steigt. So ist es beispielsweise bei Dialysepatienten, also Menschen bei denen die Nierenfunktion vollständig zum Erliegen gekommen ist, oft außerordentlich schwierig, den Blutdruck einzustellen. Viele dieser Kranken brauchen fünf und mehr Blutdruckmittel jeden Tag.
In der Therapie des Bluthochdrucks bedienen wir uns vielerlei Hemmstoffen dieses Renin-Angiotensin-Aldosteron Hormonsystems. Auch die „Wassertabletten“ (Diuretika) unterstützen die Nieren, indem sie die Urinausscheidung in bestimmten Abschnitten der Nierenkanäle ankurbeln. Und dann noch das Salz. Salzaufnahme und Blutdruck hängen eng zusammen. Auch die Salz-
ausscheidung wird über die Niere geregelt, der Körper arbeitet ständig daran, den Salzspiegel im Blut und in den Geweben auf einem gleichmäßigen Level zu halten. Ohne Salz im Essen würden wir 1-2g Kochsalz tgl. zu uns nehmen. Tatsächlich nehmen wir 8-9g tgl. zu uns. Empfohlen wird 5-6g tgl. Der Unterschied von salzarmer zu salzreicher Kost beträgt in puncto Blutdruck etwa 6/3 mmHg. Die größten „Essensversalzer“ sind Räucherwaren (z.B. Bacon), Fleischaufschnitt, Toastbrot, Käse, Pizza, Saucen und das Salzfass auf dem Tisch.
Wenn man also zusammenfassend die Aufgaben verschiedener Organe in der Blutdruckregulation bewerten soll, haben die Nieren sicher den größten Anteil. Das Herz erbringt den Blutdruck, bestimmt aber kaum dessen Höhe, die Blutgefäße und Nerven sind für die kurzfristigen Schwankungen verantwortlich und die Nieren bestimmen den mittleren Dauerdruck im Körper.
Glücklicherweise haben wir gleich zwei zur Verfügung. Nur zur Sicherheit sozusagen.

Dr. med. Friedrich Schroeder

  1. Vorsitzender LAG SH